- Sie forschen zum Thema The Counts' Accounts. Income of the Tyrolean Counts between 1300 and 1500, including a Comparison to Flanders. Beschreiben Sie Ihr Forschungsprojekt in drei Sätzen.
Ich arbeite an einer quantitativen und qualitativen Analyse der Einnahmen der Grafen von Tirol im Vergleich zu jenen der Grafen von Flandern im 14. und 15. Jahrhundert. Dabei interessieren mich vor allem Höhe und Zusammensetzung der Einnahmen sowie die Wechselwirkungen zwischen landesfürstlichen Finanzen, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Der Vergleich zwischen Tirol und Flandern soll Unterschiede und Gemeinsamkeiten auf europäischer Ebene sichtbar machen.
- Was fasziniert Sie an Ihrem Thema?
Faszinierend sind für mich in erster Linie die vielfältigen Zusammenhänge und Wechselwirkungen, die mit landesfürstlichen Einnahmen im Spätmittelalter verbunden sind. Abgaben an Grundherren beispielsweise hängen unmittelbar mit der Landwirtschaft und den Lebensumständen der bäuerlichen Bevölkerung zusammen, Zölle und Mauten beeinflussen Handel und Verkehr und werden von diesen beeinflusst, Salz ist nicht nur Einnahmequelle, sondern auch Nahrungsmittel und Bergbauprodukt. Die landesfürstlichen Einnahmen bedingen die politischen Handlungsspielräume der Territorialfürsten, sie sind von grundlegender Wichtigkeit für die Finanzierung von militärischer Expansion und Verteidigung, von Verwaltung und Rechtsprechung, von Versorgung und höfischem Leben, von Prestige und Rang sowie für die Landes- und Staatsbildung. Reizvoll finde ich aber auch komparatives Arbeiten, die Auseinandersetzung mit Fremdem oder weniger Vertrautem und den Vergleich mit dem Bekannten. Dem trägt mein Projekt durch die Gegenüberstellung meiner Tiroler Heimat und dem nordwesteuropäischen, wirtschaftlich potenten und administrativ fortschrittlichen Flandern Rechnung.
- Was sind Ihrer Meinung nach die drei wichtigsten Eigenschaften eines Forschers/einer Forscherin?
An erster Stelle steht meines Erachtens die Neugier. Wissensdurst und kritisches Hinterfragen sind essentiell für die Selbstmotivation und ermöglichen erst neue Erkenntnisse. Kreativität, das eingefahrene Muster überwindende, flexible und vernetzte Denken, ist der Problemlösungskompetenz und der methodischen Weiterentwicklung zuträglich und daher unverzichtbar. Unabdingbar sind aber auch Selbstdisziplin, Selbstorganisation und sorgfältiges wissenschaftliches Arbeiten, um die eigenen Kräfte bestmöglich zu nutzen und nachvollziehbare Ergebnisse zu erzielen. Neugier, Kreativität und Disziplin sind für mich also die drei wichtigsten Eigenschaften von Forschenden.
- Zur Person:
Lienhard Thaler wurde 1988 in Brixen (Südtirol) geboren und maturierte an der dortigen Handelsoberschule. Das Studium der Geschichte sowie das Lehramtsstudium der Geschichte, Sozialkunde, Politischen Bildung und Germanistik betrieb er an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Nach erfolgreichem Studienabschluss zog er nach Wien, um das Unterrichtsjahr an einem Wiener Gymnasium zu absolvieren. Seine Begeisterung für die Forschung bewegte ihn in der Folge dazu, eine wissenschaftliche Weiterqualifikation anzustreben und ein Dissertationsprojekt bei Univ. Prof. Dr. Thomas Ertl am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien zu beginnen. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Geschichte des Spätmittelalters, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Missionsgeschichte, Adelsgeschichte, österreichische Geschichte und Tiroler Landesgeschichte.
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